Weniger Meer ist manchmal mehr!
A1 Die Muse flüstert: „Villanelle dichten!
b1 Du fühlst dich leicht und trittst nicht auf der Stelle!“
A2 Doch penetrant sein möchte ich mitnichten.
a3 Jetzt soll ich Meer in neunzehn Zeilen sichten?
b2 Gerate ich ins Schwimmen auf die Schnelle?
A1 Die Muse flüstert: „Villanelle dichten!
a4 Du musst dich sehr nach strengem Schema richten!“
b3 Ich schrieb doch Stanzen schon, so ganz reelle.
A2 Doch penetrant sein möchte ich mitnichten!
a5 Schon spür ich Wellen, diese hellen, lichten.
b4 Sie sprudeln durch den Geist gleich einer Quelle,
A1 weil Muse flüstert: „Villanelle dichten!“
a6 Gedicht vom Meer – ich will nicht drauf verzichten,
b5 bin frisch und munter, fühl im Kopf mich helle.
A2 Doch penetrant sein möchte ich mitnichten.
a7 Beim Dichten denk ich nicht an schnöde Pflichten.
b6 Da messe ich ganz kess mit langer Elle,
A1 wenn Muse flüstert: „Villanelle dichten!“
A2 Doch penetrant sein möchte ich mitnichten!
@ Renate Golpon
Wer mit der strenge französischen Form der Villanelle nicht zurechtkommt, sollte sich mit der Regnart-Villanelle anfreunden,
die auch einfache Villanelle genannt wird.
Jacob Regnart (1545 in Flandern geboren, 1599 in Prag gestorben), Kapellmeister und Komponist im Dienste der deutschen Kaiser Maximilian und Rudolf von Habsburg, hat sie in seinen deutschen Liedern nach Art der "neapolitanen oder welschen Villanellen" kreiert:
fünfhebige Jamben, durchweg männlicher Versschluss,
Identreime a-a-a b-b-b c-c-c,
alternativ mit Refrain a-b-b, a-c-c, a-d-d usw.