Stanze
(italienisch: Zimmer, Reimgehäuse, Strophe)
„Steckbrief“:
acht Zeilen, fünfhebige Jamben mit männlichen und weiblichen Reimen (Endecasillabi), Reimschema a b a b a b c c
.
Männliche und weibliche Reime wechseln einander ab (Kadenzwechsel), c-Reime können weiblich oder männlich sein.
Diese beiden Schlusszeilen weichen nicht nur im Reim von den ersten sechs Zeilen (2 Terzinen) ab, sondern auch in der Funktion.
Wie beim Sonett fassen sie zusammen, spitzen zu, kulminieren, krönen – oder setzen der ersten Aussage etwas entgegen.
Der „Steckbrief“ bezieht sich auf die deutschsprachige Stanze, die zwar im wesentlichen dem italienischen Original aus dem 13.Jahrhundert entspricht.
Allerdings sind in der deutschen Nachbildung nicht alle Endreime weiblich (unbetont).
Es haben sich im Laufe der Zeit Varianten ausgeformt, von denen Siziliane, Nonarime, Huitain und Spenser-Strophe am bekanntesten sind.
Die Stanze fand auch bei deutschen Dichtern Anklang, zuerst bei Wieland und Heinse, auch bei Goethe und Schiller, manchen Romantikern
(Schlegel,
Rückert), dann Platen, auch Keller, Droste-Hülshoff, C. F. Meyer, schließlich Liliencron, Hofmannsthal, Rilke.
Schiller hat die Stanze in einem Distichon so charakterisiert:
Stanze, dich schuf die Liebe, die zärtlich schmachtende; dreimal
fliehst du schamhaft und kehrst dreimal verlangend zurück.
Stanze, achtzeilig, b-Reime mit weiblicher,
a-Reime mit männlicher Endung, c-Reime
hier mit weiblichem Versschluss (Kadenz)
Endreimfolge: a-b-a-b-a-b-c-c
Stanze, achtzeilig, b-Reime mit männlicher,
a-Reime mit weiblicher Endung, cc-Reime hier mit männlichem Versschluss (Kadenz)
Endreimfoge: a-b-a-b-a-b-c-c
Nonarime (Neunreim)
Auf die acht Zeilen der Stanze folgt
eine neunte, hier wieder eine b-Zeile.
alle Verse mit weiblichen Kadenzen
Endreimfoge: a-b-a-b-a-b-c-c-a
Verkürzte Stanze, sechszeilig: a-b-a-b-c-c.
alle Verse mit weiblichen Kadenzen
Kalter Frühlingstag
Ganz grau und fad ich jenen Morgen fand.
Wo blieben sie – des Märzens Frühlingsdüfte?
Der Winter hielt das Land fest in der Hand.
Wohin man sah – nur Schnee und Eisesgrüfte.
Im März, da möcht ich Frühling, blaues Band,
das fröhlich flattert locker durch die Lüfte …
Im Januar darf hier der Winter walten.
Im Märzen soll der Frühling Einzug halten!
Selbstkritik
Ich saß am Meer. Am Deiche grasten Schafe.
Mein Rad lag neben mir im trocknen Gras.
Ich war ermüdet. Ob ich etwas schlafe,
so dachte ich, als da im Buch ich las.
Nein, lieber schreib ich – ist für mich nie Strafe!
Ich griff zum Stift, den ich noch nie vergaß.
Zu Hause las ich mein Elaborat –
und fand mein Meergedicht doch ziemlich fad.
Flocken fallen leis ins Meer
Ein Wintertag am Meer, kaum Himmelsbläue,
die Sonne hat vergessen, heut zu strahlen.
Es schickt der Himmel, immerzu aufs neue,
hauchzarte Flocken, will mit Weiße prahlen:
„Schaut her, wie ich verschwendrisch streue!
Ihr könnt von mir ein Winterbildchen malen.“
Die Flocken falln ins Meer – in großer Fülle
und werden eins mit ihm in nasser Hülle.
Ich steh am Flockenmeer – fern aller Qualen.
Blau oder grau gesehen
Wohin ich schaue, blicke ich ins Blaue.
Blau ist der Himmel, sind der Boote Segel.
Ob ich mich nun ins blaue Wasser traue –
wie die Familie dort mit Kind und Kegel?
Ich will den Tag nicht vor dem Abend loben.
Wie oft hat Grau des Himmels Blau verschoben!