Muse der Dichtkunst auf „weißem Schimmel“
     Muse des Dichtens
                    auf ihrem weißen Pegasus



 Lyrik   Lyrik-Kalender  Französische Gedichtarten   Rondeau  Rondel  Triolett  Terzine  Stanze  Huitain  Ritornell  Blumemruf  Kanzone  Siziliane  Nonarime  Dezime  Villanelle  Reim  Strophe  Verstakt  Prosagedicht  Meergedichte  Grass-Gedicht ohne Reim/Metrum  Sonette  Mehr bei Omnipoesie    Impressum
                              

Gedichte haben etwas mit Lyrik zu tun. Das zu wissen gehört zur Allgemeinbildung. Häufig werden „Gedicht“ und „Lyrik“ – nicht ganz korrekt – gleichbedeutend angewendet. Deshalb scheint es sich beim „lyrischen Gedicht“ um Tautologie, Pleonasmus (Wörter gleicher Bedeutung) zu handeln.

„Lyrisches Gedicht“ ist kein „weißer Schimmel“
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich das lyrische Gedicht aber nur als scheinbare Tautologie; denn der Begriff Lyrik präsentiert sich mit unterschiedlichem Bedeutungsinhalt. Wie allgemein bekannt, ist Lyrik ein Gattungsbegriff, die dritte literarische Hauptgattung neben Epik und Dramatik.

Die andere, weniger bekannte Definition von „Lyrik“, meist als das „Lyrische", „lyrisch“ oder „poetisch“ bekannt, bezeichnet eine besondere sprachliche Qualität, eine Sicht- und Sprechweise frei vom Alltäglichen, die als Stimmungsgehalt Gefühle generiert – Empfindsamkeit – nicht in sachlicher Sprache, sondern in klangvoll blumiger (poetischer) Rhetorik.
Und das Lyrische ist keineswegs auf Gedichte beschränkt; es findet sich als Prinzip auch in den Gattungen Epik und Dramatik.

Wozu ein „lyrisches Subjekt“ bemühen?
Rezipienten erwarten, dass Autoren/Autorinnen auch alles das für wahr und richtig halten, was ihre Texte aussagen. Doch sogar bei Versen in der Ich-Form wird vom lyrischen Subjekt oder Ich gesprochen, von einer Sprecherinstanz, die nicht mit der des Autors identisch ist. Aussagen (seines) lyrischen Ichs müssen also nicht der von ihm ansonsten gewöhnlich gebotenen Weltsicht entsprechen. Bei Auftragsdichtung wäre so etwas nicht verwunderlich.
Allerdings: Viele Autorinnen und Autoren verzichten auf lyrische Ausweich-Instanzen; sie bemühen sich um Authentizität.

Was „lyrikfreie“ Gedichte von lyrischen Gedichten unterscheidet,
soll an einigen Beispielen demonstriert werden.
Ich verwende dafür eine Einteilung, die auf den deutschen Philosoph
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) zurückgehen soll
(Otto F. Best, Handbuch literarischer Fachbegriffe, Frankfurt/M. 1994, Seite 321):

a) wirklichkeits-sachorientiert,
b) reflexiv-gedanklich,
c) stimmungshaft-gefühlsgerichtet.

Sicherlich werden Sie die folgenden Gedichte nach den genannten Kriterien richtig zuordnen können. Sie alle sind meinem Pantunkalender entnommen.
Das Pantun umfasst nur 8 Verse.
Da jeder Vers aber zweimal vorkommt, besteht das Pantun aus 16 Zeilen, aufgeteilt in vier Strophen.
Jeder Vers wird also wiederholt, jedoch nicht in beliebiger Reihenfolge, sondern im Versmuster
1-2-3-4   1. Strophe
2-5-4-6   2. Strophe
5-7-6-8   3. Strophe
7-3-8-1   4. Strophe

 

1   Federleicht

Gedanken fliegen federleicht,
so leicht wie hier der Vogel.
Mag sein, dass einer dich erreicht,
den ich in Verse mogel,

so leicht wie hier der Vogel,
der hoch sich in die Lüfte schwingt,
den ich in Verse mogel.
Ein Vogel, der im Freien singt,

der hoch sich in die Lüfte schwingt
und Zäune überwindet.
Ein Vogel, der im Freien singt
und dort dann Nahrung findet

und Zäune überwindet.
Mag sein, dass einer dich erreicht
und dort dann Nahrung findet.
Gedanken fliegen federleicht!

2  Sphären schneiden

Willst du statt zu kleben schweben,
musst du schweifen statt zu pfeifen.
Willst du statt zu beben leben,
musst du greifen statt zu kneifen,

musst du schweifen statt zu pfeifen!
Willst du statt zu liegen fliegen,
musst du greifen statt zu kneifen.
Willst du statt zu wiegen siegen,

willst du statt zu liegen fliegen,
musst du wagen statt zu zagen!
Willst du statt zu wiegen siegen,
musst du tragen statt zu klagen,

musst du wagen statt zu zagen!
Willst du statt zu beben leben,
musst du tragen statt zu klagen.
Willst du statt zu kleben schweben?

3  Der Frösche und der Kröten Dank

„Danke" wolln wir quakend sagen!
Eure Müh war nicht vergebens!
Ihr habt emsig uns getragen
unter Einsatz eures Lebens.

Eure Müh war nicht vergebens.
Ihr habt Autos angehalten
unter Einsatz eures Lebens –
für uns quakende Gestalten.

Ihr habt Autos angehalten
auf den nächtlich dunklen Straßen
für uns quakende Gestalten,
als wir wandernd uns vergaßen

auf den nächtlich dunklen Straßen.
Ihr habt emsig uns getragen,
als wir wandernd uns vergaßen …
„Danke" wolln wir quakend sagen!


Die Lösung finden Sie hier,
wenn Sie unten den Fensterbalken nach rechts ziehen.

Das lyrische Gedicht – ein weißer Schimmel?
1  stimmungshaft-gefühlsgerichtet (lyrisches Gedicht)
2 reflexiv-gedanklich (Gedankenlyrik)
3 wirklichkeits-sachorientiert (Sachgedicht – ein Hauch satirisch)